burn,
geräumtes haus, burn
aus jungle world 35 - 28.08.1997 - hartwig
fischer
erhöhte brandgefahr in friedrichshain: nach der räumung kommt der benzinkanister zum einsatz.
erhöhte brandgefahr hatten die meteorologen eigentlich nur für das
berliner umland gemeldet. doch dann brannte es vergangenen donnerstag mitten
in der stadt. im derzeit wohl heißesten hauptstadtbezirk friedrichshain
stand innerhalb von gerade fünf wochen schon das zweite ehemals besetzte
haus in flammen. um 2:17 uhr erhielt die feuerwehr den ersten notruf: der dachstuhl
des fünfstockigen hauses scharnweberstraße 28 stand in flammen. bis
die rund hundert feuerwehrleute den brand morgens um vier uhr unter kontrolle
hatten, waren das komplette dach und die beiden darunterliegenden stockwerke
ausgebrannt.
keine vier wochen zuvor: fünf hundertschaften polizei räumen am morgen
des 29. juli vier besetzte häuser - darunter das in der scharnweber/ecke
colbestraße. danach verriegeln sie die türen und fenster mit sicherheitsplatten
- mit dem ziel, neubesetzungen zu verhindern. in der scharnweberstraße
aber erschwerten die platten nicht etwaigen neuen besetzern den zugang zum haus,
sondern den feuerwehrleuten: nur deshalb hätten die flammen nicht früher
gelöscht werden können, erklärte ein sprecher des feuerwehr-lagedienstes.
das brandkommissariat beim berliner landeskriminalamt ermittelt nun wegen brandstiftung
"in alle richtungen". anhaltspunkte für einen politischen hintergrund,
so eine sprecherin, gebe es nicht. dennoch: vorläufig festgenommen wurde
noch in derselben nacht nur ein ehemaliger bewohner des hauses. über mögliche
motive des hausbesitzers wolle man nicht spekulieren, hieß es bei der
kripo.
dabei brennt es in dem 1990 besetzten haus nicht zum ersten mal. bereits am
5. februar stand der dachstuhl in flammen. am nächsten morgen fand die
polizei eine zusammengerollte matratze sowie mehrere knäuel angebrannter
schnur auf dem dachboden - und vermutete den brandstifter nicht unter den hausbewohnern.
kurz zuvor hatten die besetzer das baupolizeiliche o.k. für sanierungsarbeiten
erhalten. der eigentümer mußte eine schlappe einstecken: sein abrißantrag
und das damit verbundene räumungsbegehren wurden vom friedrichshainer bezirksamt
abgelehnt. nach dem brand im februar machten sich die bewohner sofort an die
reparaturarbeiten. parallel dazu erarbeiteten sie mit dem sanierungsträger
list ein sanierungskonzept, zu dem der eigentümer keine stellungnahme abgeben
wollte.
in der zwischenzeit verschärfte der innensenat unter leitung von jörg
schönbohm seinen kurs gegen die verbliebenen besetzten häuser. schönbohm
bestand darauf, mögliche vertragsabschlüsse gar nicht erst zustande
kommen zu lassen, um die grundlage für seine räumungen nicht zu gefährden.
zwei monate später brennt es in der scharnweberstraße 28 erneut,
diesmal im keller. der schwelbrand wird von der feuerwehr gelöscht, anschließend
zerstört die polizei die einrichtung der im erdgeschoß gelegenen
kneipe sek. danach dasselbe spiel wie zuvor auf dem dachboden: die räume
werden wieder instandgesetzt, die kneipe neu eröffnet - ehe mit der räumung
am 29. juli das endgültige aus für die besetzer kommt.
bereits am morgen des 16. juli brannte es auf den dachstühlen des früher
besetzten hauses rigaer straße 84 und der proskauer straße 10 in
friedrichshain. obwohl die bewohner mietverträge hatten, sperrte ihnen
die polizei nach dem brand den zugang zum haus. wie in der scharnweberstraße
hatte der besitzer erfolglos versucht, die mieter aus dem haus zu klagen. erst
kurz vor dem brand verlor die für das haus zuständige hausverwaltungsgesellschaft
(hvg) einen prozeß gegen die mieter. und noch einen tag vor dem brand
wollen hausbewohner manfred leubert, einen von der firma beauftragten bauunternehmer,
auf dem dach der proskauer straße 10 gesehen haben. ein brand mit ankündigung:
die palette von unbegründeten kündigungen, abgestelltem strom und
gas und abgebrochenen baumaßnahmen mündete in der drohung leuberts:
"paßt auf, sonst lege ich oben feuer." nachdem der dachstuhl
abgebrannt war, setzte die hvg das gerücht in die welt, der brand sei von
rivalisierenden hausbesetzern gelegt worden.
ein bewährtes muster. als im august 1996 das besetzte haus in der marchstraße
21 geräumt wurde, ließen die flammen auch dort nicht lange auf sich
warten. einem abrißbegehren des hausbesitzers hatte die verwaltung hier
ebenfalls nicht entsprochen. so scheint es wie in der schwarnweber und der rigaer
straße auf dasselbe hinauszulaufen: sind die legalen entmietungsstrategien
erst einmal gescheitert, wird zum benzinkanister gegriffen. wenn die bewohner
bereits draußen sind, wird damit zumindest sichergestellt, daß sie
auch wirklich nicht mehr zurückkommen. alle drei häuser befinden sich
in privatbesitz.
in der nacht zum donnerstag brannte es außerdem in lichterfelde. eine
an das grundstück des eigentümers des ebenfalls geräumten hauses
rigaer straße 80 angrenzende laube ging in flammen auf. die polizei schloß
einen zusammenhang zwischen brand und räumungen jedoch aus; das feuer sei
auf fahrlässigkeit zurückzuführen. zufälle gibt's.